Lidl in Lettland! - Ein neuer Heilsbringer am Horizont?

Ein Lidl in Lettland erscheint vielen Letten wie "Weihnachten und Ostern" an einem Tag und wird sehnsüchtig herbeigesehnt.

L-infos / Riga - Die Anfänge von Lidl in Deutschland reichen bis in die 30er Jahre zurück, als das Unternehmen im Schwäbischen als Lebensmittel-Sortimentsgroßhandlung gegründet wurde. Heute ist Lidl unter den Top 10 des deutschen Lebensmittel-Einzelhandels und als internationale Unternehmensgruppe mit eigenständigen Landesgesellschaften in ganz Europa aktiv.

Lidl selber gibt zu seinem Engagement in Lettland keine Pressemeldung heraus (machen sie sowieso sehr selten - eher gar nicht), so dass noch sehr viele Einzelheiten im Unklaren liegen. Fest steht allerdings, dass Lidl derzeit auf einer Gesamtfläche von 47.000 Quadratmetern - das sind so runde vier Fußballfelder - ein Logistikzentrum in Riga im Wert von angeblich rund 50 Mio. Euro baut.

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Lidl ist ein Discountunternehmen mit Sitz in Neckarsulm. Aktuell betreibt Lidl über 10.200 Filialen in 29 Ländern und ist nach der Anzahl der Filialen der größte Discounter-Konzern weltweit. Lidl ist wie der Lebensmittelvollsortimenter Kaufland ein Tochterunternehmen der Schwarz-Gruppe. Mehr unter: Wikipedia

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Auf die Frage, wann - und vor allen Dingen auch wo - Lidl-Latvija den ersten und dann ihre weiteren Läden eröffnen wird, gibt es nur Spekulationen. "Gemunkelt" wird von sechs Lidl-Geschäften, wobei andere Quellen von bis zu zehn Start-Lidl-Geschäften wissen wollen, kolportiert wird auch die Zahl von "mindestens sieben" Geschäften. Ob es dabei bleiben wird, oder in einer weiteren Ausbauphase mit weiteren Geschäften gerechnet werden kann, ist ebenso völlig offen. Die Frage, ob es Lidl-Geschäfte nur in Riga geben wird, oder auch in anderen Landesteilen und Städten Lettlands, wie Liepāja, Daugavpils, Ventspils oder Talsi, ist auch noch nicht beantwortet. Allerdings gibt es hier auch wieder Gerüchte, wonach Lidl in der Vergangenheit mehrere Grundstücke gekauft haben soll: Hier wird von den besagten sieben Grundstücken in Riga, aber darüber hinaus aber auch von "geeigneten" Liegenschaften in Jurmala, Liepaja, Jelgava, Ventspils und Tukums gesprochen.

Fest steht aber schon heute, dass Monate vor der Eröffnung des ersten Lidl-Geschäftes in Lettland, viele Letten den Marktauftritt von Lidl im lettischen Lebensmitteleinzelhandel glorifizieren. Bei vielen Letten ist eine sehr große, aber zu erklärende, Erwartungshaltung gegenüber Lidl-Latvija zu spüren.

Die Letten, die bereits Lidl-Geschäfte im Ausland, besonders in Deutschland, kennengelernt haben, fiebern den deutschen Produkten und der damit verbundenen deutschen Qualität entgegen. Deutsche Produkte, wenn sie nicht nur den bekannten Namen tragen, sondern auch in Deutschland produziert wurden, erfreuen sich bei vielen Letten, auch 14 Jahre nach dem Beitritt Lettlands zur EU und somit zum "deutschen Wirtschaftsraum", immer noch größtmöglicher Beliebtheit.

Heute - gerade in diesem Augenblick - transportieren Letten tagtäglich mittels Kleinlaster und in den Kofferräumen, unzähliger - nach Lettland fahrender - PKWs, Unmengen von deutschen Markenprodukten in die lettische Heimat. Dabei handelt es sich nicht nur um Lebens- und höherwertige Nahrungsmittel, wenn auch in der Mehrheit, sondern auch Berge von Wasch- und Hygienemitteln, Babysachen, selbst Tempotaschentücher und weitere Dinge des täglichen Lebens, finden so den Weg nach Lettland. Sie landen in den eigenen Schränken, oder sorgen über Händler, dann mit einem Preisaufschlag, für einen schwungvollen Handel mit den begehrten deutschen Produkten in Latvia.

Erhoffen sich die meisten lettischen Verbraucher mit dem Markteintritt Lidls in Latvia den problemlosen Zugang zu deutschen Qualitätsprodukten, so rechnen nicht nur die Chefetagen der etablierten LEHs, sondern auch wirtschaftlich denkende Letten, mit einem verstärkten Wettbewerb innerhalb des doch recht starren lettischen Lebensmitteleinzelhandels. Unabhängig davon, woher die Lidl-Produkte stammen, sei es aus Deutschland, aus den beiden anderen baltischen Staaten, oder eben, wie einheimische Produzenten und Verkäufer hoffen, aus Lettland, so werden die Preise und auch die Strukturen innerhalb des lettischen LEHs in Bewegung kommen. In Lettland gibt es laut Auskunft derzeit sieben große Handelsketten.

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Lettlands Lebensmitteleinzelhandel profitiert vom wachsenden Privatkonsum im Land. Die Einzelhändler erwarteten den Markteintritt von Lidl, der voraussichtlich die Preise drücken und die Marktanteile verschieben wird. Die größten Händler Rimi und Maxima folgen dem Nachfragetrend nach laktose-, glutenfreien und veganen Produkten sowie Soja- und Diätprodukten. Auch Bioprodukte sind im Trend, wobei die lokalen Hersteller großes Vertrauen in der Bevölkerung genießen. Eine steigende Nachfrage beobachten die Händler bei Bio-Babynahrung. Der Onlinehandel in Lettland ist mit einem Anteil von 6 Prozent nach Kroatien der zweitkleinste in der EU. (Branchencheck Lettland/Dezember 2017/GTAI) Liste der größten Unternehmen in Lettland

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Dass nach dem Startschuss des Lidl-Engagements in Lettland so manche Regale, wie aber auch Kassenabrechnungen, wackeln, zeigen die derzeitigen Preise deutscher Schokolade und Kaffee, wie aber auch der von Bananen: Sie sinken in Lettland langsam aber dauerhaft. Teilweise sind die Preise in den lettischen Supermarktketten für diese und weitere Produkte - um bis zu einem Drittel - eingebrochen. Natürlich ist die deutsche Schokolade mit der "lila Kuh" nicht der Umsatzrenner und Trendsetter in lettischen Supermärkten, aber plötzlich scheint diesen Produkten eine Leuchtturmfunktionen zuzukommen.

Ein gutes Beispiel ist Litauen, wo sich Lidl bereits seit längerem aktiv am dortigen Einzelhandelsmarkt beteiligt. In Lettland wird berichtet, dass sich nach der Eröffnung des ersten Lidl-Ladens in Litauen nicht nur der Wettbewerb verschärfte, sondern auch die Preise der Produkte teilweise drastisch nachgaben. Bei einigen Produkten sollen es bis zu 50% gewesen sein, die Produkte plötzlich billiger wurden. Bananen sollen auch dazu gehört haben.

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Kenner, Insider, der lettischen Lebensverhältnisse wundern sich schon seit längerem über die "hohen" lettischen Supermarktpreise für Lebensmittel. Bei einer ganzen Reihe von täglichen Nahrungsmitteln liegen diese erheblich über den Preisen in vergleichbaren deutschen Supermarktketten. Nicht vergessen darf man in diesem Zusammenhang, dass lettische Politiker erst vor kurzen die Tatsache feierten, dass der monatliche Durchschnittslohn in Lettland die 1000,-- Euro Marke erreicht habe. Was allerdings auf den Großraum Riga begrenzt sein dürfte. Auf dem "Land von Lettland" dürfte ein monatliches Durchschnittseinkommen von 1.000 Euro wohl eher selten zu finden sein. Die Preise in den Supermärkten - zumindest auf dem Land - passen somit nicht zur Einkommenssituation der Letten! Dass zumindest die lettische Landwirtschaft vom Preisniveau in den Supermärkten profitiert, kann angesichts der landwirtschaftlichen Einkommen ebenfalls ausgeschlossen werden.

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Natürlich gibt es auch eine Kehrseite der schönen "Wir-kommen-nach-Lettland-Lidl-Medaille": Wenn sich die Regale von Lidl in einigen Monaten mit Waren füllen, werden wahrscheinlich wenige lettische Produkte darin zu finden sein. Nicht etwa, weil die Letten keine lettischen Produkte kaufen, sondern weil die Letten, die zu Lidl gehen, und das werden sicher nicht wenige sein, dort billige, deutsche, Qualitätsprodukte kaufen wollen.

Dabei wird die Reihenfolge eine wichtige Rolle spielen: Lidl wird - auf jeden Fall auf den ersten Blick und im Vergleich zu den anderen Supermärkten in Lettland - billig/preiswert sein: Man wird die Regale mit Niedrigpreisprodukten füllen. Wenn diese dann noch aus Deutschland - aus der dort hart umkämpften Lebensmittelindustrie - stammen, wird der lettische Verbraucher doppelt so gerne bei Lidl zugreifen. Selbst dann noch, wenn es einen "kleinen" Lettlandaufschlag für die Produkte geben sollte. (Man denke an die Transportkosten!) Solange die Produkte billiger und deutscher - vielleicht sogar ehrlicher in der Produktion - sind, als die bei den lettischen Supermärkten und erst recht bei den fliegenden Händlern, wird der lettische Verbraucher an der Lidlkasse in der Schlange anstehen.

Es ist ein Traum, dass die lettischen Verbraucher die - zwar richtige aber unwirtschaftliche - Erkenntnis unterstützen werden, nämlich dass man auch mit in Lettland hergestellten Produkten nicht nur eine leckere und gesunde Mahlzeit "zaubern" kann, sondern mit dem Kauf lettischer Produkte auch die lokale Wirtschaft unterstützt. Zwar sind - das ist unbestritten - in den letzten Jahren in den Regalen der lettischen Geschäfte immer mehr in Lettland hergestellte Produkte zu finden, es ist aber fraglich, ob diese lettischen Hersteller die mengenmäßigen Vorstellungen eines Lidl in Lettland überhaupt befriedigen und erfüllen können? Unabhängig von den zu liefernden Mengen, die Preisfrage dürfte spätestens ab 2020 für die lettischen Produzenten eine überlebenswichtige sein.

Der Verbraucher wird spätestens 2020 auch in Lettland noch preisbewusster einkaufen und er wird über den Einkauf preiswerterer Waren - wenn nicht einfach billigerer - frühere Preistreiber "abstrafen". Die eigentlich Betroffenen dürften dabei aber die Landwirte Lettlands werden, den es darf bezweifelt werden, dass die derzeit zur Verfügung stehenden politischen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen in der Vergangenheit auf den bevorstehenden Wettbewerb innerhalb der lettischen Lebensmittelbranche - und somit auch auf die Erzeugerpreise - genügend eingestellt und angepasst wurden!

Der Strukturwandel - die LIDLirisierung - wird also nicht nur vor den vielen kleinen Lebensmitteleinzelhandelsgeschäften in Lettland - erst in Rigas Außenbezirken und dann immer weiter (wellenmäßig) - halt machen, sondern in einer weiteren Welle die kleineren landwirtschaftlichen Betriebe erreichen, wenn diese bis dahin kein geeignetes Gegenmittel gefunden haben, dem zu erwartenden Strukturwandel und dem damit einhergehenden Käuferverhalten, stand zu halten. Der kleine Tante-Emma-Laden und der kleiner landwirtschaftliche (Nebenerwerbs)Betrieb wird unweigerlich aus dem lettischen Alltagsbild verschwinden.

Lidl ist - dies muss betont werden - nicht ursächlich an dieser Entwicklung beteiligt. Im Zuge der Globalisierung, die auch in Lettland immer stärker um sich greift, sind die Geschäftsmodelle von "Tante Emma" und Co. schon längst nicht mehr zukunftsfähig. Verantwortliche Entscheidungsträger wissen dies schon länger! Schließlich braucht man sich nur in den Nachbarländer umschauen, um zu wissen, wie es funktioniert, wenn es so wie in Lettland funktioniert. "Emma" hat es noch nicht gemerkt und es wird ihr auch keiner sagen, nämlich dass ihre geschäftlichen Überlebenschancen in dem jetzigen System mit den jetzigen Rahmenbedingungen den Null tendieren. Man wird es ihr auch nicht sagen, in der Hoffnung, dass sie aus Altersgründen vorher aufgibt, oder dass sie sich ihr geschäftliches Scheitern später selber zurechnet. Das Erscheinen Lidls auf dem lettischen Markt wird diese unabwendbare Entwicklung in Lettland - wenn überhaupt - höchstens etwas beschleunigen.

Somit wird es, wie immer und überall - so auch beim Markteintritt von Lidl in Lettland - Gewinner und Verlierer geben. Wer am Ende wie viel vom "Kuchen" abbekommt, wird der aufgeklärte lettische Verbraucher bestimmen. Angesichts der sichtbaren - wie aber auch anzunehmenden - Parameter, steht der größte Gewinner diesmal allerdings bereits heute schon fest: Die Verbraucher werden Lidl-Latvija die "Türen einrennen"!

Ob dann das jährliche, von Lidl als für sie wirtschaftlich notwendige prognostizierte, Umsatzvolumen mit den tatsächlichen Realitäten übereinstimmt, wird am Angebot und den Preisen von Lidl liegen, aber auch an der Geldmenge, die den Letten zur Verfügung steht, um Lebensmittel und den sonstigen Bedarf des täglichen Lebens zu kaufen. Angesichts der Vorhersagen über die weitere wirtschaftliche Entwicklung Lettlands, dürfte das wohl passen. Es steht daher für die Zukunft zu erwarten, dass weitere, international agierende, Handelsketten, Lettland als lukrativen Markt für Investitionen entdecken und überlegen werden, von Lettland aus den durchaus vielversprechenden baltischen Markt und somit die baltischen Verbraucher zu erobern!

Weitere Informationen: https://unternehmen.lidl.de/Pressreleases/181011_Bioland-Kooperation

oder

https://unternehmen.lidl.de/Pressreleases/180525_Gentechnikfreies-Fleisch-und-Wurstsortimen

Bekanntlich gibt es noch mehr Discounter, die geeignete Geschäftsfelder suchen. Es muss sich dabei nicht einmal nur um deutsche Handelsketten handeln, auch in anderen Ländern gibt es vergleichbares.

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