Das „Pauls Stradiņš Clinical University Hospital“ in Riga

Ein persönlicher Bericht  von einem deutschen Patienten des „Pauls Stradiņš Clinical University Hospital“ ; Hagen Fricke

Lettlandinfos – Wenn man in ein Krankenhaus muss, ist es einem (ehrlich gesagt) egal, welchen Namen das Krankenhaus trägt: Hauptsache, es wird einem dort geholfen! Ging mir vor fünf Jahren schon mal so und vor wenigen Tagen im selben Krankenhaus wieder.

(Weiter unten gibt es den Text auf englisch)

Agenskalns, ein Stadtteil von Riga, ist einen Besuch wert.

Diesmal hatte ich aber etwas Zeit, – ich kam früher als erwartet aus dem „Pauls Stradiņš Clinical University Hospital“ wieder raus, – sodass ich den „gewonnen“ Nachmittag und den folgenden Vormittag für einige Spaziergänge durch Agenskalns, einem sehr sympathischen Stadtteil von Riga, in dem das Krankenhaus liegt, nutzten konnte.

Die alten Gebäude des Krankenhauses sind „ein Kind ihrer Zeit“. Eigentlich teilweise sogar recht hübsch anzusehen, aber natürlich für den Medizinbetrieb unserer Tage nicht mehr geeignet

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Das Krankenhaus wird schon seit einigen Jahren – Schritt-für-Schritt – umgebaut und modernisiert. Die alten Gebäude sind „ein Kind ihrer Zeit“. Eigentlich teilweise sogar recht hübsch anzusehen, aber natürlich für den Medizinbetrieb unserer Tage nicht mehr geeignet. Das medizinische „Innenleben“ des Krankenhauses ist aber auf dem Neuesten Stand und die Ärzte und Professoren wie auch das übrige Personal kann ich nur in den höchsten Tönen loben – und das will was heißen. Ich kann eine Wasserpumpe auseinander – und auch wieder zusammen – schrauben, habe aber von meiner eigenen lebenswichtigen „Pumpe“ keine Ahnung. Wenn aber mal Not am Mann/Frau ist und man in das „Pauls Stradiņš Clinical University Hospital“ einquartiert wird, kann Mann/Frau sicher sein, dass einem da geholfen wird! Ich will jetzt hier keine Werbung machen, aber wenn sie mal, dann sollten sie unbedingt …!

Eine Tafel an der Hauswand erweckte den journalistischen Spürsinn

Also, das “Pauls Stradiņš Clinical University Hospital“ hängt inzwischen unzertrennbar mit meinem Leben zusammen und dann fragt man sich natürlich doch schon mal, warum das Krankenhaus diesen Namen trägt und keinen anderen?

Der Reihe nach: Als ich so gedankenversunken am frühen Morgen durch den Stadtteil – auf der Suche nach alten Holzhäusern - spazierte, entdeckte ich in einer alten Allee, direkt am Krankenhaus, ein interessantes Haus und beim näheren Hinsehen eine Tafel an der Hauswand, die etwas über einen „Pauls Stradiņš„ berichtete! Die Inschrift war klar und deutlich und nicht miss zu deuten, das Wohnhaus hatte zweifelsohne etwas mit dem gegenüberliegenden Krankenhaus zu tun. Bei der Namensgleichheit!

Das Haus sieht auch heute noch sehr imposant aus

Einmal Journalist, immer Journalist! Zu Hause angekommen, befragte ich zuerst einmal „Mutter Google“, dann noch ein paar weitere Nachforschungen und das Bild wurde klarer.

Das Pauls Stradiņš allen Vorschätzungen nach ein hervorragender Mediziner gewesen sein musste, war eigentlich zu erwarten gewesen, sonst würde die Klinik nicht seinen Namen tragen (Pauls Stradiņš, 17. Januar 1896 in Viesīte – 14. August 1958, war ein lettischer Professor, Chirurg und Medizinhistoriker, der das Medizinhistorische Museum in Riga begründete). Der Mann war aber weitaus mehr, als es die trockenen Fakten hergeben.

Ventspils-Straße 19, Riga. Professor Pauls Stradiņš (1896-1958), Doktor der Medizin, lebte und arbeitete von 1932 bis 1958 in diesem Haus.

Stradiņš war aufgrund seiner erfolgreichen Privatpraxis und seiner organisatorischen Aktivitäten im Gesundheitswesen seiner Zeit einer der anerkanntesten Ärzte in Lettland. Während der lettischen Regierung von Kārlis Ulmanis gründete und leitete er 1937 die Gesellschaft für Gesundheitsförderung (lettisch : Veselības veicināšanas biedrība). Die Gesellschaft, zu der auch Abteilungen für Krebs, Tuberkulose und Venerologie gehörten, unterhielt Sanatorien und organisierte Ausstellungen zum Gesundheitswesen und Demografie.

Im Gegensatz zu den meisten lettischen Medizinprofessoren und Ärzten floh Stradiņš im Zweiten Weltkrieg nicht in den Westen, sondern blieb in seinem Haus in Riga wohnen

Im Gegensatz zu den meisten lettischen Medizinprofessoren und Ärzten floh Stradiņš im Zweiten Weltkrieg nicht in den Westen. Er war einer der wenigen nicht kommunistischen lettischen Intellektuellen, die aus patriotischen Gründen blieben und versuchten, unter den neuen Bedingungen positive Maßnahmen zu ergreifen, und wurde so zu einer Schlüsselfigur nicht nur in der Medizin, sondern auch bei seinen öffentlichen Aktivitäten.

Stradiņš verlor unter der ideologischen Unterdrückung der unmittelbaren Nachkriegszeit viele seiner Tätigkeiten

Stradiņš war von 1944 bis 1946 Dekan der medizinischen Fakultät des Krankenhauses, von 1944 bis 1947 Chefarzt des klinischen Krankenhauses, von 1945 bis 48 Vorsitzender des Rates für Medizinwissenschaft im Gesundheitsministerium sowie Chefarzt und Chefonkologe der Lettischen Sozialistischen Sowjetrepublik. Er wurde 1945 in die Akademie der medizinischen Wissenschaften der UdSSR gewählt und 1946 als eines der ersten ordentlichen Mitglieder der neu gegründeten lettischen Akademie der Wissenschaften nominiert.

Trotzdem verlor Stradiņš unter der ideologischen Unterdrückung der unmittelbaren Nachkriegszeit - angetrieben vom Stalinismus und dem Kampf der Sowjetunion gegen westliche Einflüsse - bald seine Positionen in Medizin und Wissenschaft. Er wurde von seinen Hauptaufgaben entbunden und von 1947 bis 1949 Opfer ideologischer Kampagnen. Er durfte jedoch weiterhin als Professor arbeiten und war bis 1950 Direktor des Instituts für experimentelle Medizin an der Lettischen Akademie der Wissenschaften. In den 1940er und 1950er-Jahren forschte er an Krebs und war der Erste, der die Nitrofuran- Wirkstoffe Furacilin und Thiotepa in der Sowjetunion als Chemotherapie einsetzte. Er half auch bei der Ausbildung einer Generation lettischer Ärzte und Chirurgen und gründete ein Museum zur Geschichte der Medizin.

Im Krankenhaus, welches den Namen Stradiņš trägt, arbeiten heute die besten Mediziner Lettlands und das Haus selber wird immer weiter modernisiert

Das Museum gibt es heute noch. Ein Besuch im Pauls-Stradins-Museum für Medizingeschichte ist eine Reise in die Geschichte der Medizin. Die Sammlung des Museums umfasst heute mehr als 203 000 Objekte und gilt als eines der drei größten medizinischen Museen der Welt.

1996 wurde eine Briefmarke zu Ehren von Pauls Stradiņš von der lettischen Post herausgegeben

Mit dem Werdegang von Pauls Stradiņš kann man sich stundenlang befassen und wird immer wieder etwas Neues erfahren. Es soll auch irgendwo ein Denkmal von ihm stehen, was ich mir beim nächsten Besuch in Riga anschauen werde.

Auf alle Fälle habe ich wieder etwas über lettische Gesichte und Menschen in der lettischen Geschichte gelernt und werde, falls ich in fünf Jahren oder später nochmals ins Krankenhaus muss, wohl mit etwas mehr Demut über die Türschwelle des „Pauls Stradiņš Clinical University Hospital“ gehen. Es ist schon eine Ehre für das Krankenhaus, den Namen „Pauls Stradiņš“ zu tragen!

Der Text in englischer Sprache

Latviainfos - If you have to go to a hospital, you (honestly) don't care what name the hospital has: The main thing is that you get help there! It happened to me five years ago and again a few days ago in the same hospital.

This time, however, I had some time - I got out of the "Pauls Stradiņš Clinical University Hospital" earlier than expected - so that I could use the "won" afternoon and the following morning for some walks through Agenskalns, a very pleasant district of Riga where the hospital is located.

The hospital has been rebuilt and modernised - step by step - for several years now. The old buildings are "a child of their time". Actually, some of them are quite nice to look at, but of course they are no longer suitable for the medical business of our days. The medical "inner workings" of the hospital, however, are state-of-the-art and I can only praise the doctors and professors as well as the rest of the staff in the highest terms - and that's saying something. I can take apart a water pump - and put it back together again - but I have no idea about my own vital "pump". However, if you are in need and are admitted to the "Pauls Stradiņš Clinical University Hospital", you can be sure that you will be helped! I don't want to advertise here, but if you ever do, you should definitely ...!

So, the "Pauls Stradiņš Clinical University Hospital" has become inseparably linked to my life, and then of course one does wonder why the hospital bears this name and no other?

One thing after the other: As I was walking through the district in the early morning - looking for old wooden houses - I discovered an interesting house in an old avenue, right next to the hospital, and on closer inspection, a plaque on the wall of the house that said something about a "Pauls Stradiņš"! The inscription was clear and not to be misinterpreted, the residential house undoubtedly had something to do with the hospital opposite. With the similarity of names!

Once a journalist, always a journalist! Once home, I first consulted "Mother Google", then some more research and the picture became clearer.

That Pauls Stradiņš must have been an outstanding physician according to all estimates was actually to be expected, otherwise the clinic would not bear his name (Pauls Stradiņš, 17 January 1896 in Viesīte - 14 August 1958, was a Latvian professor, surgeon and medical historian who founded the Medical History Museum in Riga). However, the man was much more than the dry facts indicate.

Stradiņš was one of the most respected doctors in Latvia due to his successful private practice and his organisational activities in the health sector of his time. During the Latvian government of Kārlis Ulmanis, he founded and headed the Society for Health Promotion (Latvian : Veselības veicināšanas biedrība) in 1937. The society, which included departments of cancer, tuberculosis and venereology, maintained sanatoria and organised exhibitions on health care and demography.

Unlike most Latvian professors of medicine and doctors, Stradiņš did not flee to the West during the Second World War. He was one of the few non-communist Latvian intellectuals who stayed for patriotic reasons and tried to take positive action in the new conditions, becoming a key figure not only in medicine but also in his public activities.

Stradiņš was dean of the hospital's medical faculty from 1944 to 1946, chief physician of the clinical hospital from 1944 to 1947, chairman of the Council of Medical Science at the Ministry of Health from 1945 to 48, and chief physician and chief phonologist of the Latvian Soviet Socialist Republic. He was elected to the USSR Academy of Medical Sciences in 1945 and nominated as one of the first full members of the newly established Latvian Academy of Sciences in 1946.

Nevertheless, under the ideological oppression of the immediate post-war period - driven by Stalinism and the Soviet Union's struggle against Western influences - Stradiņš soon lost his positions in medicine and science. He was relieved of his main duties and became a victim of ideological campaigns from 1947 to 1949. However, he was allowed to continue working as a professor and was director of the Institute of Experimental Medicine at the Latvian Academy of Sciences until 1950. In the 1940s and 1950s, he researched cancer and was the first to use the nitrofuran agents furacilin and thiotepa as chemotherapy in the Soviet Union. He also helped train a generation of Latvian doctors and surgeons and founded a museum on the history of medicine.

The museum still exists today. A visit to the Pauls Stradins Museum of the History of Medicine is a journey into the history of medicine. The museum's collection today comprises more than 203 000 objects and is considered one of the three largest medical museums in the world.

You can spend hours with Pauls Stradiņš's career and will always learn something new. There is also supposed to be a monument to him somewhere, which I will see on my next visit to Riga.

In any case, I have learned something about Latvian history and people in Latvian history and, if I have to go to the hospital again in five years or later, I will probably cross the threshold of the "Pauls Stradiņš Clinical University Hospital" with a little more humility. It is already an honour for the hospital to bear the name "Pauls Stradiņš"!

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